Weltoffenheit, Toleranz und Gemeinsinn. Oder von Säbelzahntigern, Fakten und Sherlock Holmes.

by | Nov 24, 2021 | Was bedeuten Weltoffenheit, Toleranz und Gemeinsinn? | 0 comments

Clara, Frida, Jana, Selma und Tabea sind fünf Schauspielschülerinnen zwischen 13 und 15 Jahren. Das folgende hier gekürzte Gespräch fand am 14. Oktober 2021 vor einem langen Heizkörper auf einer kalten Probebühne einer Schauspielschule in München statt. Ich habe die Sätze aus Gründen der besseren Lesbarkeit sprachlich leicht geglättet.

mk:Clara, Frida, Jana, Selma und Tabea vielen Dank, dass ihr Euch die Zeit für dieses Gespräch nehmt. Ich habe eine Frage mitgebracht: Was bedeuten die Begriffe Weltoffenheit, Toleranz und Gemeinsinn für Euch?

Frida: Kannst du die Begriffe noch mal sagen?

mk:Klar: Weltoffenheit, Toleranz und Gemeinsinn.

Selma: Also, für mich bedeutet Weltoffenheit, Neuem oder Unbekannten erstmal offen gegenüberstehen, sich erstmal einlassen, bevor man etwas gleich ablehnt. Tabea: Vor allem auch anderen Kulturen offen gegenüber sein und nicht gleich so eine Haltung wie ‚was der Bauer nicht kennt…‘. Clara: Ich finde es wichtig, nicht in Schubladen oder in Vorurteilen zu denken. Clara: Aber haben Vorurteile nicht manchmal auch eine Schutzfunktion? Selma: Wie meinst du? Clara: Naja, schon ganz früh haben sich die Steinzeitmenschen wahrscheinlich nicht gedacht: oh, ein Säbelzahntiger, kann man den streicheln?

Sondern: Shit, ein Säbelzahntiger! Lass mal abhauen! Es wollte bestimmt nicht jeder Säbelzahntiger jeden Steinzeitmenschen fressen, aber das Vorurteil war halt auch ein Schutz. Selma: Also, in meinen Sherlock Holmes Hörspielen sagt Holmes immer, Du sollst keine Theorie vor den Fakten erstellen, weil Du sonst die Fakten so drehst, dass sie Deiner Theorie passen, anstatt erstmal die Fakten zu sehen und daraus dann eine Theorie zu entwickeln. Frida: Ich finde, Weltoffenheit heißt, niemandem rassistisch gegenüberzustehen. Und die Politik sollte nicht immer nur das eigene Land vor Augen haben, anstatt zu schauen, dass die Welt generell miteinander auskommt.

Clara: Ich wollte noch Akzeptanz sagen, aber da sind wir, glaube ich, schon bei Toleranz. Jana: Ja, Toleranz und Akzeptanz sind Synonyme, würde ich auch sagen. Selma: Also, Toleranz heißt für mich, das Anderssein von Menschen zu akzeptieren. Clara: Aber auch, wenn Menschen ähnlich sind, wenn z.B. jemand einzigartig sein will, dann sollte man das Ähnlichsein akzeptieren. Selma: Ja, halt leben und leben lassen.

mk: Hat Toleranz Grenzen?

Selma: Ja, aber ich glaube, man kann Menschen nicht ändern; vielleicht muss Menschen z.B. ihre Abneigung gegenüber anderen lassen, aber man muss darauf achten, dass sie sie nicht ausleben oder zum Ausdruck bringen, sondern sich damit nur alleine in ihrem Wohnzimmer beschäftigen. Tabea: Die Grenze ist doch dort, wo andere Menschen durch zu sehr tolerant Sein gefährdet werden.

mk: Und last, not least: Gemeinsinn.

Clara: Gemeinsinn heißt für mich, dass man nicht nur auf sich selbst schaut, sondern auch auf andere, also ein Sinn für die Gemeinschaft. Selma: Ich fühle mich mit anderen verbunden, wenn ich eine Gemeinsamkeit mit ihnen finden kann. Das ist dann wie ein Band, das verbindet. Jana: Ich spüre Gemeinsinn, wenn ich mit Menschen in Kontakt bin, die ähnliche Erfahrungen teilen, z.B. Nicht-Weißsein.

mk:Vielen Dank für diesen Austausch.